CHEMNITZPARKOUR ist eine digitale Plattform zur Kunst im öffentlichen Raum in Chemnitz, welche künstlerische Ausdrucksformen und kunstwissenschaftliche Recherche miteinander verbindet.
Mit dem Aufgreifen des Motivs des Parkour geht auch eine Neuinterpretation der Bewegung durch die Stadt und die Überwindung von Hindernissen einher. Anfang des 20. Jahrhunderts für das französische Militär entwickelt, wurde Parkour in den späten 1980er Jahren in Film und Werbung zunehmend populär. Statt (wie einst auch durch den Sozialismus) vorgegebener Choreografien, Gesten und Haltungen werden diese beim Parkour bewusst übersprungen, unterlaufen oder durchbrochen und bieten dadurch Raum für eine veränderte Wahrnehmung und Aneignung der Stadt.
Beginnend mit dem hier vorgestellten Projekt von Elke Mohr soll der Parkour als digitale Plattform auch für weitere künstlerische, kuratorische und diskursive Positionierungen zu diesem städtischen Thema offen sein. Hierbei wird die vielfach thematisierte und sichtbare Karl-Marx-Büste des Bildhauers Lew Kerbel als zentrale Setzung zunächst bewusst beiseite gelassen und die in ihrer Vielfalt bislang weniger wahrgenommenen Werke in den Blick genommen, die seit den 1950er Jahren im Stadtraum entstanden. An ihnen lassen sich zum einen detailliert Entwicklungslinien der Skulpturauffassung in der DDR und sich wandelnde Intentionen von Kunst im öffentlichen Raum sichtbar machen.
Zum anderen thematisiert die Plattform die vielfältigen, manchmal willkürlich und nicht transparent erscheinenden politischen und ökonomischen Entscheidungen für Dislokationen, Einlagerungen, Zerstörungen oder Veränderungen von Kunstwerken innerhalb der Stadt, die auch einen Blick auf das öffentliche Kunst- und Denkmalverständnis werfen.
Der digitale Parkour zeigt ein künstlerisch gestaltetes Mapping der Kunstwerke in der Stadt und präsentiert populär- und kunstwissenschaftlich aufbereitete Essays, welche ebenso über die sich wandelnden Kriterien der Identifikation der Chemnitzer Bevölkerung mit den Kunstwerken Auskunft geben.
Für ihre künstlerische Auseinandersetzung mit den Arbeiten im öffentlichen Raum hat Elke Mohr zu zehn ausgewählten Kunstwerken performative Kommentare entwickelt, die fotografisch und filmisch dokumentiert wurden. Die ausgewählten Kunstwerke im öffentlichen Raum befragte sie in einem Akt aktiven körperlichen Abtastens, Begegnens und Begreifens nach ihrer gegenwärtigen Aktualität, um – insbesondere in Reaktion auf historische Darstellungsformen weiblicher aber auch männlicher Körper – ein nunmehr verändertes Verständnis einfließen zu lassen. Im Wechselspiel, in Fortsetzung von und im Dialog mit Figuration und Abstraktion, mit Translokationen und einhergehendem Bedeutungswandel entwickelt sie ein eigenwilliges Repertoire von Gesten, Zeichen und Handlungen, mit denen man sich zu den Werken in Beziehung setzen kann und welche zu Neuinterpretationen der Werke im Stadtraum einladen.
Jeannette Brabenetz
ist Kunsthistorikerin, Kuratorin und Autorin für moderne und zeitgenössische Kunst. In Kooperationen mit Künstler:innen entwickelt sie Konzepte und realisiert Projekte an den Schnittstellen von privaten und öffentlichen, musealen und städtischen wie ländlichen Räumen. Dabei bezieht sie partizipative Verfahren als auch populäre Kulturen, wie Sport oder Radio ein.
www.brabenetz.de
Elke Mohr
ist Bildende Künstlerin. Sie studierte an der Kunsthochschule Berlin-Weißensee und an der ENSBA in Paris. Sie arbeitet mit Fotografie, Video und Installation. In Einzelprojekten sowie in Zusammenarbeit mit der Künstlerin Ingeborg Lockemann entwickelt sie performative Arbeiten, die in Form von Videos und Fotoserien präsentiert werden. Dabei werden Situationen des öffentlichen Raums zur Bühne und zum Thema für ihre Handlungen und Narrationen.
www.elkemohr.net
CHEMNITZPARKOUR ist ein Projekt von Jeannette Brabenetz und Elke Mohr
Text: Jeannette Brabenetz
Videos, Zeichnungen: Elke Mohr
Fotos: © Ingeborg Lockemann
Gefördert durch die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien